1000 Kilometer durch Spanien, auf den Spuren von Tempelrittern, Mauren und jahrhunderte alter Liebesgeschichten. Der Camino del Cid ist nach dem kastilischen Ritter El Cid benannt, der in Spanien als Nationalheld gefeiert wird. Die Fahrradroute führt entlang seiner Siegeszüge und bietet unzählige Ausflüge in die Vergangenheit – gespickt mit einzigartiger Landschaft. Eine Radreise der besonderen Art! Timo Rokitta erzählt uns von seiner Reise von Burgos nach Valencia und über die 4 Ringe des Camino del Cid.
Text: Timo Rokitta
Bilder: Timo Rokitta, Mandy Rodriguez
Eine der bekanntesten spanischen Fahrradrouten auf der iberischen Halbinsel ist zweifelsfrei der Camino del Cid, der auf über 1.000 Kilometern von Burgos nach Valencia führt. Für Radfahrer die neben der historischen und bekannteren Route auch noch die Abgeschiedenheit Spaniens erleben wollen, seien die sogenannten „Anillos“ also Ringe des Camino del Cid empfohlen. Auf diesen vier Rundstrecken gibt es neben den Schauplätzen aus dem Ritterepos „Cantar de Mío Cid“ auch noch eine grandiose und abgeschiedene Landschaft zu bewundern.
Die ersten Höhenmeter
Wir starten unser Radabenteuer zum „Anillo de Callocanta“ in der historischen kleinen Stadt Daroca. Am alten Brunnen Fuente de los Veinte Caños aus dem Jahr 1639 biegen wir links ab, um uns auf einer abgelegenen kleinen Straße 400 Meter in die Höhe zu schrauben. Der „Anillo de Gallocanta“ besteht grob betrachtet aus der Umrundung der Gallocanta Lagune. Die Fahrt auf der Hochebene in 1.000 Meter Höhe ist deshalb auch nicht weiter anstrengend und bietet in ihrem Verlauf immer wieder Ausblicke auf dieses Naturschauspiel.
Die Gallocanta Lagune ist die größte Salzwasserlagune Westeuropas und verfügt über eine reichhaltige Flora und Fauna. Tausende von Kranichen und anderen Zugvögel besuchen dieses Ökosystem jeden Winter. Sie stoppen hier auf ihrem langen Flug von Nordeuropa nach Afrika. Uns fallen die alten Steinmauern auf, die den fruchtbaren Boden vor dem Wind und der Erosion schützen. Fahrerisches Highlight ist die Abfahrt hinunter nach Balconchàn.
Das für den Verkehr gesperrte Sträßchen besteht nur noch aus einem Flickenteppich aus Asphalt garniert mit Schlaglöchern und verfeinert mit reichlich Rollsplitt. Froh unten heil angekommen zu sein, freuen wir uns auf die nächste Etappe, die Fahrt über den „Anillo de Montalban“.
Zweite Etappe
Auf unserer zweiten Runde gibt es gleich zu Beginn mehr Anstiege und Abfahrten und die Landschaft ist wesentlich abwechslungsreicher. Die Gebirgsketten, die wir durchqueren bestehen aus endlosen Pinien- und Eichenhainen. In Huesa del Comén thront auffällig eine alte halbverfallene Burg aus längst vergangenen Zeiten auf einem flachen kargen Hügel. Die Route führt uns weiter durch kleine Dörfer wie Plou, deren verlassene Viehhäuser das Aussehen einer Geisterstadt haben.
Hinter Cortez de Aragón biegen wir von unserer Route etwas ab, da wir bei Banos de Segura eine Unterkunft gebucht haben. Mitten in einem malerischen Canyon steht dann plötzlich und unvermittelt ein 5‑Sterne-Hotel, das wir hier so nie vermutet hätten.
Nach der anstrengenden Fahrt in der nachmittäglichen Hitze entspannen wir uns auf der Terrasse und beobachten dabei, wie über uns riesige Lämmergeier die abendliche Thermik für ihren Flug nutzen.
Der nächste sehenswerte Ort auf unserer Reise ist Montalbàn. Besonders begeistert uns hier die Altstadt mit ihren engen Straßen, die Burgruine und die alte Kirche, die im Mudejar-Stil erbaut wurde und Sitz des Ordens des Schwertes vom heiligen Jakobus ist.
Um zu unserem dritten Ring von „El Cid“ zu gelangen, fahren wir als Verbindungsetappe über Calamocha und Montalban hoch zu den Minen von Ojos Negros. Dort in der Höhe von 1.400 Metern beginnt der Radweg Via Verde Ojos Negros.
Der Vía Verde de Ojos Negros ist der längste zusammenhängende Bahntrassenradweg in Spanien. Die offizielle Kilometrierung beginnt hier in der Sierra Menera Wir fahren dabei durch eine Landschaft, die stark an den Südwesten der USA erinnert. Der Fahrspaß auf der autofreien Strecke ist unbeschreiblich.
Ganz im Zeichen des Stiers steht Teruel. Ein kleiner schwarzer Stier namens, „el torico“, schmückt den Brunnen auf der Plaza Mayor. Lange Zeit beherrschten die Mauren die Stadt. Sie verzierten die Backsteinbauten mit glasierter Keramik, auf den Dächern und an den Wänden. Dieser Mudéjarstil genannte Schmuck gibt auch den Türmen der Stadt eine gewisse verspielte Heiterkeit, selbst an der Kathedrale ist dies zu bewundern.
Historische Liebesgeschichten
Teruel ist aber auch wegen einer anderen Geschichte bekannt geworden. Einer Überlieferung zufolge waren im 13. Jahrhundert Isabel de Segura und Diego de Marcilla einander sehr zugetan. Doch Diego wurde als Zweitgeborener ohne Vermögen als Bräutigam zurückgewiesen. Doch nach seiner erfolgreichen Rückkehr wird die Geliebte mit einem anderen vermählt. Diego stirbt danach an Liebeskummer.
Bei der Totenmesse wirft sich dann eine schwarz gekleidete Frau über den Leichnam, küsst ihn und stirbt auch. Nun sind im Tod „die Liebenden von Teruel“ vereint. Jedes Jahr am zweiten Wochenende im Februar, gedenkt man ihrer in einer mittelalterlichen „Hochzeit“, „Bodas de Isabel de Segura“, an der alle Einwohner, entsprechend gekleidet sind.
Der Ring von „El Maestrazgo“ ist der längste und anspruchsvollste auf unserer Reise. Er ist auch gleichzeitig der spektakulärste und verläuft in den Provinzen von Teruel und Castellón. Das Gebiet war bis zum 12. Jahrhundert fest in den Händen der Mauren bevor die Monarchen von Aragon das Land mit Hilfe Tempelritter zurückeroberten. Die Route verläuft meist über kurvenreiche Straßen, die — weil die „Vuelta de Espana“ gerade hier war — meist auch frisch geteert wurden.
Wir überqueren mehrere spektakuläre Pässe die uns auf über 1.600 Meter über dem Meer bringen. Die Landschaft bietet neben dichten Wacholderwäldern auch ausgedehnte Wälder mit Bergkiefern und mystischen Moorlandschaften. In uns über den Schluchten erkennen wir Bergziegen und mächtige Greifvögel.
Die Luft im Maestrazgo ist sehr trocken und deshalb ideal zum Trocknen des berühmten Schinkens. Fast jeder Ort besitzt eine „Secadero de Jamones“, eine zünftige Schinkentrocknerei. Die hauchdünn geschnittenen Scheiben liegen auch deshalb mittags und abends auf den Tapas-Tellern der Lokale und zergehen förmlich auf der Zunge.
Der vierte Ring
Bei Iglesuela del Cid biegen wir ab auf die letzte und kleinste Route, den Ring von Morella. Dieser nur 100 Kilometer lange Rundkurs schließt sich nördlich an den Ring von „El Maestrazgo“ an. Interessant sind auch hier die vielen Trockenmauergebäude, die wir auf jedem Meter unserer Fahrt hier bewundern können.
Das kleine malerische Dorf war im Mittelalter der Sitz des Templerordens, der es von den Mauren zurück eroberte — Schafwollhandel hatte es danach reich gemacht.
Und fallen in dem kleinen Dorf mächtige Eisengitter auf. Wie wir dann spätnachts herausfinden, dienen diese als Fluchtpunkt bei den legendären Stierrennen. Während unseres Besuches an diesem Wochenende wird eine „Fiesta“ stattfinden. Um Punkt 23:30 Uhr rennt ein Stier mit zwei Feuerkugeln auf den Hörnern durch die Nacht läuft. Diese „Fiestas“ finden im Juli und August zum Gedenken an den Schutzpatron statt.
Das nächste Kleinod in dieser surrealen Landschaft ist das sich zwischen zwei Felswände drückende Cantavieja. Es diente als Quartier von General Ramón Cabrera in den Karlisten-Kriegen von 1834–40. Von der alten Befestigungsanlage hat man berauschende Ausblicke auf das unterhalb gelegene Tal.
Im 150 Einwohner kleinen Ort Mirambel, das von zwei Stadtmauern mit fünf Toren umschlossen ist, haben ebenfalls die Templer und später sogar die Johanniter ihre Spuren hinterlassen. Für seine Restauration wurde das Dorf mit dem Preis „Europa Nostra“ ausgezeichnet. Wollige Schafherden und abgelegene Einsiedeleien charakterisieren die Landschaft drum herum.
Ein absolutes Highlight ist der Ort Morella, der ringförmig um die mächtige Burg auf einem kegelförmigen Felsen gebaut wurde. Standesgemäß übernachten wir in dem kleinen Hotel, das sich direkt an der alten Stadtmauer befindet und den Namen „El Cid“ trägt. Am Abend schlendern wir durch die engen und steilen Gassen, die meist nur steil nach oben oder eben steil nach unten führen. Von der Stadtmauer genießen wir den Sonnenuntergang, der die Landschaft in ein mystisches Licht taucht. Kein Wunder, dass vor fast 1000 Jahren El Cid die Gegend von Morella mehrfach besucht hatte.
Am nächsten Morgen schließen wir den Ring von Morella und vernichten dabei mehr als tausend Höhenmeter. Bei Iglesuela del Cid sind wir wieder auf der „El Maestrazgo“ Route und fahren in südöstlicher Richtung weiter.
37 Viadtukte
Nach Villafranca del Cid führt uns die Strecke auf einer fast endlosen Abfahrt durch einen Canyon hinunter bis nach Benasal um danach wieder bis zum kleinen Nest von Culla wieder anzusteigen. Der winzige Ort auf einem Felsen ist jetzt im Spätsommer fast ausgestorben und verströmt auch wegen eines heraufziehenden Gewitters eine fast gespenstige Atmosphäre.
Vor Onda ist die Strecke nicht mehr allzu anstrengend und erst im Tal des Rio Mijares beginnt sie wieder stetig anzusteigen. Das kleine Dorf Montanejos ist ein Zentrum für Wanderer und dient uns als Basis bevor wir den finalen Anstieg hoch nach Rubelios de Mora unter die Räder nehmen.
Am nächsten Morgen fahren wir auf dem kürzesten Weg wieder zum Vía Verde de Ojos Negros. Was uns hier in Laufe des Tages erwartet, zählt wohl zu den beeindruckendsten Radstrecken die es gibt.
Diese alte Eisenbahnlinie, die damals “Ferrocarril minero da la Sierra Menera” genannt wurde, bietet 14 Tunnel und 37 sehenswerte Viadukte und Brücken sowie 3 alte Metallbrücken. Die alte Schmalspurstrecke wurde in den Jahren 1903 bis 1907 erbaut. Kein Autoverkehr und maximal 10 Radfahrer treffen wir auf der gesamten Strecke.
Valencia im Blick
Der Vía Verde de Ojos Negros führt zuerst über eine Hochebene, danach sanft abfallend durch Olivenhaine und zum Schluss durch ausgedehnte Orangenplantagen. Alleine eine Befahrung dieser Strecke würde schon alleine einen Radurlaub in Spanien rechtfertigen. Vor Segunt endete jedoch auch dieser Spaß und der Vía Verde de Ojos Negros endet unspektakulär an einem Parkplatz.
Von der Hafenstadt Segunt rollen wir dann locker aus um an unser Ziel in Valencia zu gelangen. Vorbildliche Radwege leiten uns immer tiefer in die Stadt und dann schneller als gedacht stehen wir vor der Statue des El Cid. Auf 1000 teilweise harten Kilometern fanden wir das alte, einsame Spanien mit seinen endlosen Sierras, pittoresken Dörfern und Zeugnissen aus der Zeit der Mauren vor – so wie es „El Cid“ vor 1000 Jahren auch erlebte.