Marathon-Experte Sönke Wegner wollte seine Saison 2020 wieder mit einem Reiseziel der besonderen Art starten: Menorca. Dort sollte das Epic Cami de Cavalls 360° Rennen stattfinden – wie der Name schon verrät, eine epische Runde einmal um die Insel. Aber daraus wurde wegen Corona leider nichts. Trotzdem erzählt Sönke uns über Menorca und warum das Rennen eine Reise wert ist.
Text: Sönke Wegner
Fotos: Jordi Saragossa, Oriol Batista
Ich war bereit! Bereit 2020 mit einem Kracher zu starten. Menorca, die Insel, die mich 2019 so fasziniert hat, sollte auch dieses Jahr mein Saisoneinstand und zugleich ein Höhepunkt werden.

Es ist Montag, fünf Tage vor dem Start. Daniel Gathof, mein diesjähriger Teamkollege für Menorca, ruft mich nervös an. Sein Flug ist abgesagt. Wir planen eine Alternative um am Freitag die erste von drei Etappen unter die Stollen zu nehmen. Es ist Mittwoch, Daniel wird vom Veranstalter noch hingehalten: „Warte noch ab mit einer Flugalternative.“ Was ist los? Corona hält Einzug. Bisher sind wenige Rennen in Europa abgesagt worden. Deshalb sind wir gedanklich noch in Menorca.
14.05 Uhr Daniel schickt mir eine Nachricht vom Veranstalter. Diese Nachricht wird 30 Minuten später veröffentlicht. Das Rennen wird nicht stattfinden.
Der Veranstalter ist unendlich traurig, aber mit dem heutigen Wissen hat er die richtige Entscheidung getroffen. Wir sind sehr enttäuscht, wir waren schon in den Startlöchern! Die Organisation habe ich 2019 als herzlich und super engagiert kennengelernt.

Dieses Rennen (das auch als Trailrunning-Variante stattfindet) ist eine Herzensangelegenheit. Schau ich heute die Nachrichten, ist der Wettkampfsport in weite Ferne gerückt. Wann wir wieder unseren Sport auf diesem Niveau ausüben können, das lässt sich aktuell nicht vorhersehen. Aber das sei nur eine Randnotiz. Es gibt aktuell Wichtigeres.

Gerne schaue ich auf das Jahr 2019 zurück und blicke mit Vorfreude auf 2021. Diesen Text habe ich 2019 geschrieben und sollte mein Spickzettel für 2020 werden:
Wer hat Menorca auf seinem Mountainbike Radar? Hatten wir auch nicht. Aber wir haben unseren Horizont erweitern dürfen und sind eindeutig der Meinung, hier geht es richtig ab. Vorab: Menorca, so wie wir es kennenlernen durften, ist eher was für die Crosscountry- / Marathonfahrer. Das Gelände ist zwar technisch anspruchsvoll, aber man fährt nur wenige Höhenmeter und somit kurze Abfahrten.

Auf den Spuren des GR223
Pünktlich zum Saisonbeginn Ende März findet das 3‑tägige Stagerace Epic Cami de Cavalls 360° statt. Dieses Rennen startet an unterschiedlichen Orten, wobei die Unterkunft nicht gewechselt wird. Mit dem Paket bucht man auch gleich den Transfer zu den Startpunkten. Das Rennen findet nahezu ausschließlich auf dem GR 223 statt.

Dieser ehemalige Patrouillenweg wurde zu Zeiten von König Jaime II von Pferden beritten und war lange Zeit in Vergessenheit geraten. Nutznießer der Freisetzung und Wiederherstellung des Wanderweges sind auch die Mountainbiker. Diese dürfen sich auf Trails entlang der Küste durch Schluchten, steinigen Abschnitten, Täler, Feucht- und Anbaugebiete, verbunden durch alte Wachtürme, Leuchttürme und Schützengräben austoben. Im Rennen werden aber die unfahrbaren und unattraktiven Abschnitte vermieden.

Die Anstiege sind kurz, können aber technisch und steil sein. Ebenso die Abfahrten, für die ein vollgefedertes Bike sinnvoll ist. Die zerklüftete Küste bietet ständig den freien Blick auf das Mittelmeer und gibt einem direkt das langersehnte Sommerfeeling zurück. Die Etappenlängen von ca. 60km ist mit 800hm überschaubar aber dennoch eine Herausforderung, besonders so früh in der Saison.

Uneingeschränkte Empfehlung
Ein weiterer Vorteil für den frühen Saisoneinstieg: Die Strecke ist nahezu menschenleer, so ist garantiert, dass man mit maximaler Geschwindigkeit diese atemberaubende Schönheit genießen darf. Im Sommer, wäre das sicher nicht möglich.
Die Organisation ist herzlich, familiär und professionell bis ins Detail geplant. Wir dürfen euch das Rennen uneingeschränkt empfehlen.

Als ich 2019 zusammen mit dem Österreicher Lukas Kaufmann am Start war, durften wir uns bereits im März über Kurz-Kurz freuen. Die Frühlingswärme beschwerte uns direkt ein etwas mehr Druck aufs Pedal. Obwohl man im Rennmodus gegeneinander fährt, hatten wir das Gefühl, wir fahren eine ausgedehnte Ausfahrt. Das Feld selektierte sich schnell und wir hatten freie Fahrt, ohne Stress.

Klar, gaben wir alles und wir schafften auch einen 2. Rang auf der Königsetappe, konnten aber auch einen massiven Defekt gut verkraften. Ein weiteres Tageshighlight war die abendliche Ansprache. Es war ein Entertainment, das so unverkrampft und humorvoll rüber kam, dass eine “Ellenbogen-Renngemeinschaft“ spätestens jetzt die Arme eingezogen hätte.

Nach drei Etappen waren wir geröstet aber guter Dinge für eine erfolgreiche Saison. Ein Einstieg, der hoffentlich 2021 ein Comeback feiert.