Der Bohemian Border Bash ist kein Rennen
Text: Alexander Giebler // Bilder: Alexander Giebler
Der Bohemian Border Bash ist kein Rennen, vielmehr ein Szenetreff – aber auf jeden Fall ein Happening. Erfahrene Gravel-Biker treffen sich zum ersten Mal im Böhmischen Sandstein, um gemeinsam zu fahren, zu fachsimpeln, zu grillen und am Lagerfeuer zu sitzen. Ich bin Rookie, ein Anfänger, ein Frischling. 650b, Road Plus, Flare, Tubeless – das habe ich alles schon einmal gehört und gesehen.
Aber so wirklich ausprobiert habe ich die Möglichkeiten eines Gravelbikes bisher noch nicht. Spaß abseits der Straße? Klar, den suche ich immer. Aber geht das mit einem Rennlenker und 40 Millimeter breiten Reifen überhaupt?
Rookies
Mehr durch Zufall kommt mir die Veranstaltung Bohemian Border Bash ins Visier. Ein Track mit 160 Kilometern und knapp 3.000 Höhenmetern mitten durch die Böhmische und Sächsische Schweiz. Und wie sich schnell herausstellen wird, sind hier alles andere als Rookies unterwegs. Aber man wächst ja bekanntlich mit den Herausforderungen.
Angereist bin ich mit Josh. Der hat deutlich mehr Erfahrung als ich auf dem Rad, aber auch er ist Rookie. Allerdings mit der Kamera. Er will soviel filmen, wie es geht. Hat er noch nie gemacht. Die GoPro klemmt er sich dafür mit einer Art Beißschutz zwischen die Zähne. Das sieht irre aus, aber es funktioniert sehr gut!

Vor der großen Ausfahrt drehen wir noch eine Abendrunde und legen uns in eine der kleinen Holzhütten zum Schlafen. Am nächsten Morgen rollen wir völlig entspannt um 9:30 Uhr zum Start auf den Campingplatz.
It’s not a Race
Etwas über 50 weitere FahrerInnen stehen mit uns hier. Die Männer sind in der Überzahl, nur fünf Fahrerinnen zähle ich. Weniger klar sind die Verhältnisse bei der Gewichtung von Road oder MTB bei den Rädern. Und nicht nur die Räder bewegen sich frei zwischen den gewohnten Phänotypen, sogar ein Singlespeed ist dabei. Knallenge Road-Bekleidung trifft auf griffige MTB-Schuhe.
Lederhandschuhe funktionieren neben Gloveless-Vorliebe. MTB-Helm, Road-Helm? Hauptsache Helm. Und als Hommage an die Randonneure finden sich auch noch vier umgehängte Kameras an Fahrern. Nach einem knappen „Don’t forget, it’s not a race!“ gehen wir zusammen auf die Runde. Alle Fahrer haben zur besseren Verständigung Startnummerplaketten mit dem eigenen Namen am Rad. Gute Idee!
The Sky is the Limit
So sehr, wie ich selber Rookie bin, so stark steht mein Bike, das ich für diese Tour habe, im Kontrast dazu. Durch eine glückliche Fügung kann ich ein speziell für das Flare-Festival in Heidelberg aufgebautes Open U.P. in unverschämt geiler Lackierung fahren.
Die hunderte Gangwechsel werde ich heute mit der neuen Funkschaltgruppe „Force eTap AXS“ von Sram einleiten und die verschieden Untergründe auf WTB-Reifen „Venture 650b“ überrollen.
WTB ist als feste Größe unter den Gravel-Reifen auch einer der Sponsoren dieser Gravel-Party. Laufräder, Sattelstütze, Vorbau und Lenker kommen von Zipp und runden die hochwertige Ausstattung ab. Ein Fahrrad zum Niederknien. Aber hey, ich darf es sogar fahren!

„It’s Not a Race, But We Are Winning!“
Mit dieser Vorfreude geht es zunächst auf schmalen Straße hinweg, über Schotterpisten durch die Felder, Weiden und Wälder, mitten durch die Böhmische Schweiz. Bereits auf den ersten 40 Kilometern bis zur Fähre über die Elbe kommen so schon fast 900 Höhenmeter zusammen. Und der Zusatz „Schweiz“ im Böhmischen erfährt seine Berechtigung.

Erstaunlich viele platte Reifen sind am Straßenrand zu verzeichnen. Für mich steht damit fest: Tubeless und dazu so breite Reifen, wie es Rahmen und Gabel irgend zulassen, sind in Zukunft mein Setup für’s Gravelbike.
Nachdem vom Start weg alle im Rennmodus unterwegs waren und verschiedene Ausreißergruppen dem Peloton zu entfliehen versuchten, neutralisiert uns der Fähranleger: Alle warten gemeinsam auf die Überfahrt.

Zirka dreißig Räder nimmt das Boot auf – den am Ufer verblieben Mitfahrern wird ein augenzwinkerndes „It’s Not a Race, But We Are Winning“ zugerufen. Alle müssen lachen, die Stimmung ist großartig und wir freuen uns auf die kommenden Kilometer und natürlich das Wiedersehen.
Flow-Modus
Nunmehr auf der sächsischen Seite, fahren wir über die Hochebenen auf den höchsten Punkt der Runde zu. Über acht Kilometer geht es stetig aufwärts zum Sněžník, und wieder auf die tschechische Seite der Grenze. Acht Kilometer, um sich über die Vor- und Nachteile der verbauten Übersetzung auszutauschen. Ich bin mit meinem Zweifachantrieb sehr zufrieden!

Oben angekommen rasten wir kaum, weil es anschließend für zehn Kilometer nur noch abwärts geht und über das Bielatal, den Pfaffen- und Pabststein wieder auf das Elbtal zu. Kilometerfressen am Mittagstisch. Ungefähr bei Kilometer 100 sind wir völlig im Flow-Modus angekommen. Die Schaltung surrt, die Scheibenbremsen beißen, die Kette spannt sich. Wir drücken, egal ob es hoch oder runter geht.

#graveltastic
Kurz nach der zweiten Fährüberfahrt brennen die Muskeln das erste Mal so richtig. Josh und ich sind zwar ganz vorne mit dabei, merken aber auch, dass das absolut keine Rolle spielt. Doch anstatt raus zu nehmen, drücken wir einfach weiter. Nur zum Spaß, nur für uns. Die Untergründe wiederholen sich, aber es kommt keine Langeweile auf.


Das Knirschen und Wegspringen der Steine, die aufgeworfenen Kiefernnadeln, das braucht heute überhaupt nicht mehr aufzuhören. Ab und zu werden wir überholt oder überholen wir selbst. Ein paar Worte von Rad zu Rad und ein „Viel Spaß noch, wir sehen uns nachher am Feuer!“
Die Kilometer bis zum Camp schwinden, die Beine werden schwerer und auch die Sonne hängt jetzt tief am Abendhimmel. Nach etwas mehr als neun Stunden rollen wir wieder im Camp ein und merken noch gar nicht richtig, was das für ein geiler Tag gewesen ist. Das kommt erst später. Kommt jetzt beim Schreiben.
The Bash
Ehrlich gesagt, brauche ich jetzt nur noch eine Kleinigkeit zu Essen und einen Schlummertrunk. Doch das erste Bier bekomme ich schon direkt im Ziel in die Hand gedrückt. Die Partyleitung fährt alle Geschütze auf, um die müden Glieder schnell wieder in Form zu bringen.
Schließlich dämmert es gerade erst. Das Spanferkel brutzelt vor sich hin, die Feuershow wird aufgebaut und die Bässe des Soundsystems wummern immer kräftiger. Dieser Tag nimmt so schnell kein Ende.

Ich bin sicherlich immer noch Rookie – aber mit einem Gefühl dafür, was noch kommen wird. Und ich bin sicher, dass mein Spaß beim Gravel-Bike kein Grenzen haben wird! Alles nur Marketing, nur ein Geldmaschine der Fahrradbranche? Mitnichten.
It’s Not a Race – It’s a Hell of a Race!