Der Spruch „nach fest kommt ab“ ist wahrscheinlich so alt wie die Menschheit selbst – wird aber in Sachen Fahrrad viel zu selten genutzt. Abgesehen von Mechanikern und Profis, wird meiner Meinung viel zu selten nach dem Drehmoment-Schlüssel gegriffen – ich mit eingeschlossen. Dabei ist jedes Teil und jede Schraube nicht umsonst mit einer Newtonmeter-Angabe versehen, was mir jedes mal ein bisschen Bauchschmerzen bereitet, wenn ich drauf schaue. Ein Plädoyer für den Drehmomentschlüssel.
Text: Jana Zoricic / Fotos: Jana Zoricic
Es gab Zeiten, da habe ich mit einem Gummihammer und Holzplatten meinen Steuersatz (schief) eingeschlagen, Schläuche als Gabelbegrenzer benutzt und viele weitere Grausamkeiten an meinem (eigentlich) geliebten Fahrrad verübt. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei, jetzt kann ich mir gescheite Teile, gescheites Werkzeug und den Stolz, mir helfen zu lassen, leisten.


Aber eine Gewohnheit werde ich einfach nicht los: alle Schrauben am besten so fest kloppen, dass ich sie selbst nicht mehr losbekomme. Da fällt mir direkt noch eine Grausamkeit auf: eine Kurbel musste ich aufbohren, weil die Schraube nicht mehr auf ging. Selbst mit einem meterlangen Hebel.
Das kleine „N m“ an jedem Bauteil schreit mich an: KANNST DU NICHT LESEN?!
Dabei steht es überall drauf, das kleine „N m“ mit einer bestimmten Zahl davor. An kleinen Schrauben meist eine kleine Zahl, bei großen Schrauben meist eine zweistellige. Das „N m“ steht für Newtonmeter, die physikalische Einheit der Energie, auch bekannt als Drehmoment. Deswegen heißt dieses Werkzeug so, für das ich hier plädiere. Im Falle des Fahrradteils: die Kraft, mit der man die jeweilige Schraube anziehen soll.

Es mag im ersten Moment vielleicht pingelig und penibel klingen, jede Schraube genau nach Vorgabe festzuschrauben aber mal ehrlich: Fahrräder sind teuer. Radsport jeglicher Art ist teuer. Eigentlich sollte uns jede Art von Pflege in Form von Eurozeichen entgegenleuchten und sagen „wenn du mich nicht schon wieder neu kaufen willst, dann kauf dir gefälligst einen Drehmoment-Schlüssel!“

Deswegen: benutzt ihn einfach. Es gibt sogar Drehmomentschlüssel fü unterwegs, also gibt es keine Ausreden mehr. Aber dazu später mehr. Erstmal ein kleiner Exkurs in die Basics des Drehmoment-Schlüssels.
1. Einstellen
Erklärt sich von selbst, aber hier nochmal zum Mitschreiben: unten am Rädchen drehen nach rechts drehen, um das Drehmoment einzustellen. Man kann sogar in 0,5 Schritten drehen. Auf der Anzeige kannst du deine Einstellungen nochmal überprüfen
2. Schrauben
In dem Moment, in dem du mehr als die vorgegebene Energie auf die Schraube angewendet hast, gibt der Drehmoment-Schlüssel nach (und macht ein leichtes Knack-Geräusch, nicht erschrecken) und du weißt aha, bis hier und nicht weiter. Im Prinzip also nur ein kleiner Arbeitsschritt mehr. War gar nicht so schwer oder?
Aber was ist mit unterwegs?
Nein, ich möchte hiermit keinen dazu überreden, mit diesem Klopper im Rucksack rumzufahren, auch zum einkaufen. Das hat sich auch Lezyne gedacht und den TorqueDrive erfunden (Torque ist das englische Wort für Drehmoment). Für alle gängigen (Inbus-)Schrauben, die man unterwegs so festschrauben müsste, gibt es beim Torque Drive einen Aufsatz. Das Drehmoment kann man an der Anzeige ablesen – hat gar nicht wehgetan oder?